Daniel Thurau
30. Januar - 12. Februar 2014
Interview zwischen Daniel M Thurau
und Werner Büttner (Auszug v. 2015)
Werner Büttner:
Du willst als holder, hehrer Narr ein Quäntchen metaphysische Provenienz für die Malerei reklamieren. Als halber Jurist kann ich Dir versichern, dass dieser untaugliche Versuch in Deutschland nicht bestraft wird. Allerdings ist die Rechtsprechung zum untauglichen Versuch dissonant und lausig.
Viele Deiner Kompositionen könnte man als „Inseln einer Sperrmüllseligkeit“ bezeichnen. Lügst Du Dir, wie ich, und wohl auch alle anderen, ins Fäustchen?
Daniel M Thurau:
Um einen Satz von Dir zu paraphrasieren: Man ist nur so belogen, wie man sich fühlt. Und unser Pfarrsohn aus Röcken, dem es sicher besser ergangen wäre, wenn er zur Beichte hätte gehen können, ergänzt: „Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.“ Eigendoping und Selbsterziehung erscheinen mir in jedem Fall ausreichende und einwandfreie Rechtfertigung zum weiteren Komponieren. Die Welt hat unser Herr Jesus doch schon erlöst, da muß ich nicht auch noch mit dran rumwursteln.
Vielleicht ist in diesen meinen Inseln der Sperrmüllseligkeit aber auch ein verdrängter Wunsch nach Utopia vorhanden, dem Ort, von dem wir in der Wendezeit damals alle glaubten, daß er nun kommen möge zum Heil aller getäuschten Realsozialisten. Das waren allerdings die Tage bevor Schabowski zu stottern anfing. Und jetzt massiere ich diesen Phantomschmerz mit solchen Bildern.

Auszug aus einem Text von Belinda Grace Gardner über Daniel M Thurau, Juli 2015
Die Bilder des Malers Daniel Maria Thurau blühen in der Nacht. Wenn darin nicht Mond und Sterne aufgehen, holt die Dämmerung sie ein. Die Farben strahlen in abendlichem Zwielicht, ein letztes Aufglimmen vor dem Sonnenuntergang. Einigen ist das phosphoreszierende Leuchten von Lebewesen aus den Tiefen des Ozeans oder der Urwälder eigen. Andere wiederum haben die fahle Glut eines von Wolken überblendeten Regenbogens. Thuraus Kompositionen, die in den vergangenen Jahren zunehmend konturierter, stilisierter, gegenständlicher geworden sind, wirken wie Nachbilder aus der Sphäre des Schlafs oder kurzfristig scharf gestellte Fata Morganas. Das Terrain des Künstlers ist das der opulenten Nachtschattengewächse und der alltagstauglichen Phantasmagorien, die auf wundersame Weise auf die Tagseite der Wirklichkeit geraten sind. Die von Vegetation strotzenden Innen- und Außenansichten, Landschaften und Stillleben, Interieurs, Porträts, Gärten und Straßenszenen sind zugleich entrückt und plausibel, magisch und beiläufig, zeit- und ortlos, kontemporär und von kunsthistorischen Dimensionen durchzogen. ...
Der 1974 in Köthen/Anhalt geborene, in Berlin lebende Künstler agiert jenseits von Trends und Modeerscheinungen in einem Raum, der von Malereigeschichte geprägt ist, aber als multidimensionales Experimentierfeld offenbleibt. Dieses durchmisst Thurau mit einem selbst generierten Vokabular, das sich aus Gegensätzen zusammensetzt: Ernst, Ironie, existenzieller Tiefgang, große expressive Gesten und spielerisch-cartooneske Verkürztheit, das Kontemplative und das Explosive. ...
Der Künstler spricht von »der Verzauberung einer entzauberten Welt«, einem Prozess, dem er in seiner Malerei viele Türen öffnet. Er ist den »Absurditäten des Daseins« auf der Spur, ein Leben, das sich für ihn zweigleisig im gesellschaftlichen Grenzgebiet der deutsch-deutschen Parallelrealitäten von ehemaliger DDR und BRD entfaltet hat. Seine Ortsbestimmungen haben entsprechend viele Brüche. Thurau beschreitet aber gleichwohl die verschlungenen Pfade unverdrossener »Glückssuche«. Mit einer resistenten Idee von Schönheit gewappnet, bietet er ebenjenen »Absurditäten des Daseins« die Stirn. ...
Neben einer Umdeutung von Realitäten des persönlichen Lebensalltags ins potenziell Wunderbare, Seltsame und Geheimnisvolle zieht sich die Vorstellung einer »neuen Begegnung« kunsthistorischer Genres und Werke durch seine Malerei. Dabei stellt sich für ihn immer wieder die Frage: »Kann ich dem noch etwas hinzufügen?« Die Geschichte der Bilder setzt sich bei ihm in Wandlungen fort. Ein prominentes, wiederkehrendes Motiv seiner Arbeiten ist das Stillleben, das allerdings aus der traditionellen Erstarrtheit zwischen Leben und Tod, Eros und Thanatos, und seiner kultivierten Rahmung befreit wird, um sich als wild gewordene vegetabile Gattung im städtischen Environment Bahn zu brechen. ...
Die Utopien sind vorbei, mögen die Utopien leben: »Die Welt«, schreibt Roland Barthes in seinem Essay über die fantastischen Reisen im Werk von Jules Verne, »kann alles aus sich selbst gewinnen, sie braucht, um zu existieren, nichts als den Menschen.«4 Die Malerei benötigt Autor und Betrachter, denn aus der visuellen, gedanklichen, imaginativen Komplizenschaft erwächst das Bilderlebnis. ... Am Ende geht es um Wahrnehmung und wie die Malerei dieser, in der Ära alles nivellierender Bilderfluten, auf die Sprünge helfen kann. Mag das Projekt der Moderne im Sinne eines progressiven Vorwärtsstrebens erledigt sein: Die Türen der Perzeption stehen weiterhin offen. ... Der Blick geht in die Weite. Noch ist alles möglich und die Weltumseglung hat erst begonnen.

E-Mail: info@eiland.org
Interview zwischen Daniel M Thurau
und Werner Büttner (Auszug v. 2015)
Werner Büttner:
Du willst als holder, hehrer Narr ein Quäntchen metaphysische Provenienz für die Malerei reklamieren. Als halber Jurist kann ich Dir versichern, dass dieser untaugliche Versuch in Deutschland nicht bestraft wird. Allerdings ist die Rechtsprechung zum untauglichen Versuch dissonant und lausig.
Viele Deiner Kompositionen könnte man als „Inseln einer Sperrmüllseligkeit“ bezeichnen. Lügst Du Dir, wie ich, und wohl auch alle anderen, ins Fäustchen?
Daniel M Thurau:
Um einen Satz von Dir zu paraphrasieren: Man ist nur so belogen, wie man sich fühlt. Und unser Pfarrsohn aus Röcken, dem es sicher besser ergangen wäre, wenn er zur Beichte hätte gehen können, ergänzt: „Wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen.“ Eigendoping und Selbsterziehung erscheinen mir in jedem Fall ausreichende und einwandfreie Rechtfertigung zum weiteren Komponieren. Die Welt hat unser Herr Jesus doch schon erlöst, da muß ich nicht auch noch mit dran rumwursteln.
Vielleicht ist in diesen meinen Inseln der Sperrmüllseligkeit aber auch ein verdrängter Wunsch nach Utopia vorhanden, dem Ort, von dem wir in der Wendezeit damals alle glaubten, daß er nun kommen möge zum Heil aller getäuschten Realsozialisten. Das waren allerdings die Tage bevor Schabowski zu stottern anfing. Und jetzt massiere ich diesen Phantomschmerz mit solchen Bildern.

Auszug aus einem Text von Belinda Grace Gardner über Daniel M Thurau, Juli 2015
Die Bilder des Malers Daniel Maria Thurau blühen in der Nacht. Wenn darin nicht Mond und Sterne aufgehen, holt die Dämmerung sie ein. Die Farben strahlen in abendlichem Zwielicht, ein letztes Aufglimmen vor dem Sonnenuntergang. Einigen ist das phosphoreszierende Leuchten von Lebewesen aus den Tiefen des Ozeans oder der Urwälder eigen. Andere wiederum haben die fahle Glut eines von Wolken überblendeten Regenbogens. Thuraus Kompositionen, die in den vergangenen Jahren zunehmend konturierter, stilisierter, gegenständlicher geworden sind, wirken wie Nachbilder aus der Sphäre des Schlafs oder kurzfristig scharf gestellte Fata Morganas. Das Terrain des Künstlers ist das der opulenten Nachtschattengewächse und der alltagstauglichen Phantasmagorien, die auf wundersame Weise auf die Tagseite der Wirklichkeit geraten sind. Die von Vegetation strotzenden Innen- und Außenansichten, Landschaften und Stillleben, Interieurs, Porträts, Gärten und Straßenszenen sind zugleich entrückt und plausibel, magisch und beiläufig, zeit- und ortlos, kontemporär und von kunsthistorischen Dimensionen durchzogen. ...
Der 1974 in Köthen/Anhalt geborene, in Berlin lebende Künstler agiert jenseits von Trends und Modeerscheinungen in einem Raum, der von Malereigeschichte geprägt ist, aber als multidimensionales Experimentierfeld offenbleibt. Dieses durchmisst Thurau mit einem selbst generierten Vokabular, das sich aus Gegensätzen zusammensetzt: Ernst, Ironie, existenzieller Tiefgang, große expressive Gesten und spielerisch-cartooneske Verkürztheit, das Kontemplative und das Explosive. ...
Der Künstler spricht von »der Verzauberung einer entzauberten Welt«, einem Prozess, dem er in seiner Malerei viele Türen öffnet. Er ist den »Absurditäten des Daseins« auf der Spur, ein Leben, das sich für ihn zweigleisig im gesellschaftlichen Grenzgebiet der deutsch-deutschen Parallelrealitäten von ehemaliger DDR und BRD entfaltet hat. Seine Ortsbestimmungen haben entsprechend viele Brüche. Thurau beschreitet aber gleichwohl die verschlungenen Pfade unverdrossener »Glückssuche«. Mit einer resistenten Idee von Schönheit gewappnet, bietet er ebenjenen »Absurditäten des Daseins« die Stirn. ...
Neben einer Umdeutung von Realitäten des persönlichen Lebensalltags ins potenziell Wunderbare, Seltsame und Geheimnisvolle zieht sich die Vorstellung einer »neuen Begegnung« kunsthistorischer Genres und Werke durch seine Malerei. Dabei stellt sich für ihn immer wieder die Frage: »Kann ich dem noch etwas hinzufügen?« Die Geschichte der Bilder setzt sich bei ihm in Wandlungen fort. Ein prominentes, wiederkehrendes Motiv seiner Arbeiten ist das Stillleben, das allerdings aus der traditionellen Erstarrtheit zwischen Leben und Tod, Eros und Thanatos, und seiner kultivierten Rahmung befreit wird, um sich als wild gewordene vegetabile Gattung im städtischen Environment Bahn zu brechen. ...
Die Utopien sind vorbei, mögen die Utopien leben: »Die Welt«, schreibt Roland Barthes in seinem Essay über die fantastischen Reisen im Werk von Jules Verne, »kann alles aus sich selbst gewinnen, sie braucht, um zu existieren, nichts als den Menschen.«4 Die Malerei benötigt Autor und Betrachter, denn aus der visuellen, gedanklichen, imaginativen Komplizenschaft erwächst das Bilderlebnis. ... Am Ende geht es um Wahrnehmung und wie die Malerei dieser, in der Ära alles nivellierender Bilderfluten, auf die Sprünge helfen kann. Mag das Projekt der Moderne im Sinne eines progressiven Vorwärtsstrebens erledigt sein: Die Türen der Perzeption stehen weiterhin offen. ... Der Blick geht in die Weite. Noch ist alles möglich und die Weltumseglung hat erst begonnen.

Foto: Viktor Schittny
Biografie1974
geboren in Köthen/ Anhalt, lebt in Berlin
1995/98
Studium der Rechtswissenschaften in Halle/ S., erstes Staatsexamen
2008/09
Masterstudium für Zeichnung, NUA, Norwich/ U.K
2010/13
Masterstudium für Malerei bei Werner Büttner und Jutta Koether, HFBK Hamburg
1998-2014
Mitglied der Kunstgesellschaft eiland